77. Ausgabe des Schweinfurter OberLandKuriers
Der Sommer neigt sich dem Ende zu
Weihnachten steht vor der Tür
Was soll denn das heißen, wird sich so mancher fragen. Nach dem Sommer kommt doch erst mal der Herbst und noch lange nicht Weihnachen.
Schaut man in die Lebensmittelgeschäfte, ist das Realität. Lebkuchen, Plätzchen und Christstollen erobern die Regale. Ich frag’ mich manchmal: Wer kauft denn das schon im September. Aber anscheinend wird es nachgefragt, sonst würde es ja nicht angeboten.
Wobei ja schon zu überlegen ist, ob das Angebot die Nachfrage bestimmt oder die Nachfrage das Angebot. Die berühmte Frage, was war zuerst: das Huhn oder das Ei, auch hier schwer zu beantworten. Der Mensch reduziert auf seine Funktion als Konsument ohne Hintergrund und kulturelle Prägung. Sind wir auf dem Weg zur Freizeit- und Spaßgesellschaft – oder sind wir es schon? Work-Life-Balance als Schlagwort für die Arbeitswelt taucht immer häufiger auf. Gerade die junge Generation sieht oft nicht die Erfüllung ihres Lebens in sinnvoller und sinnstiftender Arbeit. Wenig Erwerbsarbeit, dafür viel Freizeit, Zeit für Hobbys, Urlaub und Reisen. Wer mit 65 noch arbeitet oder gar darüber hinaus wird belächelt und hinterfragt, warum man das macht.
Auf der anderen Seite nehmen Depressionen und Selbstmordraten, auch gerade bei jungen Menschen, zu – ob da ein Zusammenhang besteht? Kennt noch jemand das Gefühl nach 10 Stunden harter Arbeit, vollkommen KO in den Sessel zu fallen. KO aber auch zufrieden und mit sich im Reinen. Zugegeben, wenn man schon älter ist, reichen auch 4 Stunden.
Das war in unserer Jugend auf dem Land auch das Gefühl des Sommers. Heu- und Getreideernte mit viel Arbeit auch für uns Kinder und Jugendliche. Aber auch unendliche Freiheit am Abend nach getaner Arbeit. In den Sommerferien auf irgendeiner Wiese mit Freunden zu zelten und bis in die späte Nacht zu feiern und zusammen zu sein.
Heute, wenn man am Abend im Garten sitzt. Kein Laut – Stille. Höchstens vom Weiten ein Mähdrescher. Wo sind denn die Kinder und Jugendlichen? Daheim vorm Computer?
Oder wo? Früher hörte man aus jeder Ecke Geschrei und Musik. Es war manchmal schon Lärmbelästigung. Vielleicht bin ich ja nur alt und erinnere mich an die „gute alte Zeit“. Wo zugegebenermaßen nicht alles „gut“ war. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass mit der Individualisierung vieles verloren gegangen ist. Jeder macht sein „Ding“ vor allem alleine, mit den zu jeder Zeit zur Verfügung stehenden Medien oder abgeschottet bei sich zuhause.
Lieg ich falsch oder geht eine ganze Kultur verloren. Gemeinschaft auf vielen Ebenen. Man trifft sich nur noch auf Festen, nicht im Alltag. Fährt man durch die Dörfer, haben alle etwas gemeinsam: Sie sind menschenleer. Niemand auf den Straßen und Plätzen. Sogar die Kirchen am Sonntag früh, falls es noch Gottesdienste gibt, sind leer.
Wirtshäuser und Läden gibt es kaum noch. Wirtshauskultur war vor allem zusammensitzen und miteinander reden. In den heutigen Gaststätten soll man Essen und dann gehen, am besten vor 22.00 Uhr, dann ist Feierabend.
Wolln wir das? Gäbe es Möglichkeiten dem entgegenzuwirken bzw. das Rad zurückzudrehen? Es würde sich lohnen darüber nachzudenken und daran zu arbeiten. Vielleicht auch im Rahmen des Schweinfurter Oberlandes auf Dorfebene. Hat jemand Ideen dazu? Oder bin ich alleine mit meinen Ansichten?
RESI RUDOLPH
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